Nachlese – Antigone

„Nichts Ungeheureres als der Mensch“

Die „Bühne Cipolla“ eröffnet die Bocholter Theaterspielzeit mit einer klassischen Tragödie

Die Handlung von „Antigone“ ist bekannt: Kreon, der neue König Thebens, stellt Staatsraison über Ethik. Seine Nichte Antigone bestattet ihren im Bürgerkrieg gefallenen Bruder Polyneikes und missachtet damit einen königlichen Befehl. Antigone glaubt ihr Handeln sei moralisch legitimiert. Sie geht aufrecht in den Tod.

Das gerade durch den Bürgerkrieg entzweite Theben steht gegen die Unmenschlichkeit des Königs auf. Wie so oft in diesem Genre sind am Ende sind (fast) alle tot: Antigones Schwester Ismene, Kreons Frau Eurydike und sein Sohn Haimon. Kreon dagegen bleibt einsam und gebrochen zurück. In der letzten Szene kommt Hoffnung ins Spiel – es blühen Blumen auf Antigones Grab.

Die Tragödie ist voller aktueller Bezüge – sie thematisiert Konflikte zwischen staatlicher Willkür und individueller Freiheit, der Gruppe und dem Einzelnen, zwischen blindem Gehorsam und Menschlichkeit. In der Bocholter Aufführung schienen gelegentlich sogar Donald und Vladimir durch.

Die Bühne Cipolla, in den letzten Jahren Stammgäste des Stadttheater Bocholt e.V., führt „Antigone“ als Figurentheater mit Livemusik auf. Sebastian Kautz kümmert sich um das Figurenspiel und führt Regie. Diesmal hat er zudem die Masken gebaut. Gero John kümmert sich um die Musik – er komponiert den Soundteppich und spielt Cello sowie Keyboards. Die beiden sind Meister ihres Fachs. Sprache und Musik harmonieren und ergänzen sich vortrefflich. Kautz ist ein virtuoser Spieler und John unterlegt die Szenen je nach Bedarf mit dramatischen oder poetischen Akzenten. Dies alles wurde durch das fein abgestimmte Lichtdesign unterstützt.

Insgesamt also ein gelungener Start in die Spielzeit 2025/26. Das Publikum zeigte sich begeistert. Am Ende spendete es einen donnernden Applaus und Standing Ovations, bevor die Theaterbesucherinnen und -besucher eingeladen waren, sich die Figuren und Masken aus der Nähe anzusehen.

Dr. Thomas Siebe

Über die Aufführung wurde auch im BBV berichtet: